... aufgefahren

Von Dr. Donata Dörfel aus den Paulus Blättern Mai  2017, Seite 11

Wie jämmerlich, dass bei uns der Himmelfahrtstag von Ausflügen besoffener Männergruppen gesäumt ist. Exzessiver Alkoholgenuss kann zwar ein Gefühl des „Erhobenseins“ vermitteln, aber später folgt ein böses Erwachen.

HimmelfahrtLassen Sie sich im Blick auf das Fest der Himmelfahrt Christi stattdessen für einen Moment einladen in eine jener alten Kirchen, deren Altar ein seltsames Bild zu dieser biblischen Geschichte präsentiert.

Ich bin ihm begegnet in der Dorfkirche in Breklum in Nordfriesland. Am unteren Bildrand stehen Menschen, die den Kopf in den Nacken legen und den Blick emporrichten. Am oberen Rand schwebt eine Wolke, aus der zwei nackte Füße herausragen. So haben Künstler seit fast zweitausend Jahren das Ereignis der „Himmelfahrt Christi“ dargestellt. Sie ist kein kurioses Ereignis, sondern Symbol für einen wichtigen Schritt, auch in den Trauerprozessen, die wir zu bewältigen haben.

Die Bibel – Lukasevangelium ganz am Ende und Apostelgeschichte ganz zu Anfang – erzählt, dass Jesus nach seiner Auferstehung vierzig Tage lang Menschen begegnet, Erinnerungen in ihnen wachruft und ihnen Mut macht für ihren Weg in der Welt. Nach vierzig Tagen verabschiedet er sich und entzieht sich den Blicken. Deshalb ist auf den alten Bildern nichts mehr von ihm zu sehen, nur die Füße, an denen erkennbar ist, in welche „Richtung“ er entschwunden ist.

Das Bild von Oben und Unten trügt

Doch das Bild von Oben und Unten trügt. Der Himmel, in den Jesus aufgenommen wurde, ist nicht die Atmosphäre über der Erde. Die englische Sprache bietet dafür eine hilfreiche Differenzierung: „Sky“ ist der Himmel, in dem Wolken über die Erde ziehen, Flugzeuge und Raketen sich bewegen; „Heaven“ dagegen ist ein Bewusstseinszustand, der nicht mit den Füssen „betreten“, sondern allein mit dem Herzen wahrgenommen werden kann. Und nach dem Tod – so verheißt der Glaube – ist der Himmel ein Daseinszustand, in dem wir bei Gott aufgenommen und geborgen sind.

Doch bevor wir unsere verstorbenen Lieben, an denen wir mit unseren Gedanken und Gefühlen hängen, auch tatsächlich „freilassen“, sind Trauerprozesse zu durchmessen. Die Erinnerungen werden immer kostbarer, die mit dem Verstorbenen gemeinsam gehegten Ziele müssen neu geklärt werden, das Eingeständnis des Versäumten muss bewältigt werden. Unsere Verstorbenen „freilassen“, dass sie in den „Himmel“ eingehen können, setzt unser eigenes Vertrauen voraus.

Ein Gelöstsein erleben

Doch auf den Himmel gibt es einen Vorgeschmack – mitten im Leben auch ohne Alkohol oder Drogen. In der Ekstase sind wir gelöst und über uns hinausgehoben, wie auf dem Bild der in den Himmel auffahrende Jesus. Die Begrenztheit des eigenen Körpers und Denkens ist aufgehoben. Wir spüren und erkennen etwas von unserem Zusammenhang mit allem Lebendigen. Manche finden diese Erfahrung im Hören von Musik, im Betrachten eines Bildes oder einer Landschaft, im Sport oder in einer liebevollen Umarmung: Wir dürfen innehalten vor dem Wunder, uns loslassen und werden „erhoben“; wir lassen geschehen und sind zugleich zutiefst kreativ, empfangen das Leben in einer Idee, einer Inspiration, einem Klang oder einem neuen Menschen, der in uns entsteht. Die Erfahrung dieses Glücks bleibt eine Gnade. Manchmal eilt der Glaube ihr voraus, ein andermal hilft er zur Interpretation. So spricht Martin Luther davon, dass die Himmelfahrt Christi für jeden Christen eine ganz persönliche Bedeutung hat: „Denke nicht, dass die Himmelfahrt Christi geschehen sei, damit er glücklich mit den Engeln lebe. Ich glaube, dass sie mir geschehen ist. Gleichwie er um meinetwillen gestorben ist, so ist er auch um meinetwillen auferstanden und aufgefahren. Wenn er hier auf Erden geblieben wäre, hätten wir keine Gemeinschaft mit ihm haben können. Darum hat er ein solches Reich angefangen, durch das er allen gegenwärtig sein kann.“

So hat nach Luther die Botschaft von der Himmelfahrt Christi eine tiefe Bedeutung für den christlichen Glauben; nur weil Christus ganz „in Gott eingeht“ kann er seither überall gegenwärtig werden. Daraus erwächst ein Trost, der Leben und Sterben umfängt und den ich auch Ihnen wünsche. Unsere Verstorbenen bleiben gegenwärtig in den Tiefen unserer Seele, den Erinnerungen, die uns mit ihnen verbinden, der Botschaft, die sie in unser Leben gebracht haben.

Luther schreibt: „Gen Himmel fahren heißt alles auf Erden regieren. Vor wem sollte ich mich dann fürchten, wenn mich auch der Teufel in die Hölle nähme. Wenn ich spreche, ich glaube, dass Christus gen Himmel gefahren ist, dann spreche ich im Tode: ‚Christus ist hier, denn wo ich bin, da ist er auch.‘ So wird dies Fest mir süß.“


JAHRESLOSUNG 2018


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Gott spricht: "Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst."

Offenbarung 21,6 (L)

 

Gedanken zur Jahreslosung (pdf-Datei)

von Pfarrerin Dr. Donata Dörfel